Der Wille Gottes
Autor: Markus Rex
Viele Christen halten alles, was ihnen passiert, für den Willen Gottes. »Gott in seiner unergründlichen Weisheit wird schon wissen, was er macht.« Ja, Gott ist Gott, und er kann eingreifen wann und wie er will. Trotzdem ist Gottes Wesensart nicht undurchschaubar und sein Handeln nicht willkürlich und unberechenbar. Er hat sich seinem Volk immer zu erkennen gegeben1 und seine Vorhaben zuvor angekündigt2. Besonders was unser persönliches Leben angeht, können wir wissen, was Gott in konkreten Situationen für uns will.
Neben dem Willen Gottes gibt es aber auch eine menschliche Komponente. Die wird manchmal übersehen, und so geraten aufrichtige Geschwister mitunter in eine Lage, die sie ernsthaft für Gottes Willen halten, obwohl Gott in Wirklichkeit etwas anderes für sie vorgesehen hat. Das ist bedauerlich – und zwar deshalb, weil sie zum einen nicht Gottes Bestes in der jeweiligen Situation erleben und zum anderen zu einem falschen Gottesbild gelangen und es zum Teil auch vermitteln.
Es gilt also, neben dem Handeln Gottes herauszufinden, was der eigene Anteil in konkreten Lebenslagen ist, damit Gottes Willen in unserem Leben auch wirklich zustande kommt.
Gott ist nicht geteilt, so dass er mal das eine und mal das andere will, aber der Ausdruck »Der Wille Gottes« kann in der Bibel Verschiedenes beinhaltet, wie: a) Die Absichten und Pläne Gottes, die er auf jeden Fall, also souverän ausführen wird, b) Anweisungen, die wir tun sollen und c) Wollen im Sinne von, was Gott für uns möchte.
Zum Beispiel wollen Eltern normalerweise auch, dass es ihren Kindern gut geht. Sie wollen aber auch, dass sie sich an bestimmte Regeln halten (damit es ihnen gut geht). Was ihre Familienplanung betrifft, planen und handeln sie oft unabhängig davon, ob ihre Kinder das so wollen bzw. wollten oder nicht.
Betrachten wir zunächst einmal das souveräne Handeln Gottes. Gott bringt zustande, was und wie er es haben will3 – und niemand kann ihn daran hindern. So hatte er bestimmte Absichten für sein Volk Israel, die er ankündigte und die Geschicke dann so lenkte, dass alles genau so zustande kam. Zum Beispiel die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft und den Wiederaufbau des zerstörten Tempels.
…der von Kyrus spricht: »Er ist mein Hirte, und er wird all meinen Willen ausführen und zu Jerusalem sagen: Werde gebaut!, und zum Tempel: Werde gegründet!« (Jes 44,28)
Das hervorragendste Handeln Gottes sehen wir jedoch in seinem Plan für die Erlösung der Menschheit. Dieses Vorhaben hatte er, angefangen im Garten Eden kurz nach dem Sündenfall, durch die Geschichte hindurch wiederholt angekündigt. Damit dieser Heilsplan schließlich ausgeführt wurde, hatte er sogar gottlose Regierungsbeamte mit einbezogen.
… Ja, wahrhaftig, gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, haben sich Herodes und Pontius Pilatus versammelt zusammen mit den Heiden und dem Volk Israel, um zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hatte, dass es geschehen sollte. (Apg 4,25-28)
Wenn Gott imstande war, das Erlösungswerk, genauso wie angekündigt, zu vollbringen, dann dürfen wir getrost davon ausgehen, dass er sehr wohl in der Lage ist, auch die noch ausstehenden Verheißungen zu erfüllen. Jesus wird wiederkommen und es wird eine neue Erde und einen neuen Himmel geben. Ganz gleich, ob manche Leute das glauben oder nicht und ob sie es wollen oder nicht. Niemand kann ihn daran hindern. Um es einmal ganz banal zu sagen, Gott ist Gott und er kann und wird tun, was er will.
Neben dem, was Gott souverän und in seiner Allmacht tut, gibt es aber, wie oben schon erwähnt, noch weitere Seiten, die seinen Willen zeigen. Zum einen erwartet Gott von uns, dass wir bestimmte Dinge tun bzw. lassen sollen, was zum großen Teil in seinen Geboten und Anweisungen zum Ausdruck kommt. (Das gilt auch dann, wenn der Begriff »Der Wille Gottes« nicht immer explizit genannt wird).
Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander lieben sollt … (Joh 13,34
Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr euch der Unzucht enthaltet … (1 Thess 4,3)
Freut euch allezeit! Betet ohne Unterlass! Seid in allem dankbar; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. (1 Thess 5,16-18)
Zum anderen möchte Gott für uns auch ein gewisses Maß an Wohlergehen. Hierbei handelt es sich um Gottes Wohlwollen uns gegenüber bzw. darum, was er uns wünscht. (Auch hierbei muss der Ausdruck »Der Wille Gottes« nicht immer genannt sein.) Das Neue Testament berichtet ausführlich darüber, welchen Segen das Erlösungswerk Jesu für uns bereithält.
… der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen in den himmlischen [Regionen] in Christus,
… er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens … (Eph 1,3-5)
Mein Lieber, ich wünsche dir in allen Dingen Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlgeht! (3 Joh 2)
Letztendlich hat Gott auch bestimmte Absichten mit unserem Leben. Er will, dass wir geistlich heranwachsen und Frucht bringen entsprechend den von ihm gegebenen Aufgaben und Berufungen. Eigentlich sollten wir in allen Lebensbereichen danach fragen, was er für uns vorgesehen hat.
Paulus, berufener Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen … (1 Kor 1,1)
… seid verständig, was der Wille des Herrn ist! … werdet voll Geistes … (Eph 5,17-18)
… dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens … in jedem guten Werk fruchtbar und in der Erkenntnis Gottes wachsend, mit aller Kraft gestärkt … teilzuhaben am Erbe der Heiligen im Licht. (Kol 1,9-12)
Für uns ist es nun wichtig, Gottes Absichten für uns in konkreten Lebenssituationen herauszufinden, damit wir Gottes Bestes für uns in jeder Lage erleben. Dabei dürfen wir die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes »der Wille Gottes« nicht vermischen.
Lasst uns das einmal am Beispiel der Errettung herausarbeiten. Es ist Gottes Wille, dass jeder Mensch errettet wird.
… welcher will, dass alle Menschen gerettet werden … (1 Tim 2,4)
… weil er nicht will, dass jemand verlorengehe … (2 Petr 3,9)
Nach den o.g. Ausführungen könnte die Frage nach dem Willen Gottes jetzt wie folgt beantwortet werden: a) Gott wird souverän handeln, so dass niemand verloren geht, b) er erlaubt es dem Menschen nicht, verloren zu gehen und c) es gefällt Gott nicht, wenn jemand verloren geht.
Man kann viel über den Willen Gottes bezüglich der Errettung debattieren. Die richtige Antwort bekommen wir nur, wenn wir alles in Betracht ziehen, was die Bibel dazu zu sagen hat. Dann stellen wir fest, dass Gott sein Heil in Christus niemandem aufzwingt, sondern er bietet es an. Der einzelne Mensch ist frei, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Es kann also nur die dritte Antwort die Richtige sein: Es gefällt Gott nicht, wenn jemand verloren geht.
Letztendlich sollten wir nicht nur beim Thema Errettung, sondern auch in jedem anderen Lebensbereich den Willen Gottes kennen, das heißt, wissen, wie Gott darüber denkt. Wir müssen herausfinden, was Gottes Anteil dabei ist und was wir zu entscheiden haben bzw. was wir tun müssen, damit sein Wille (und sein Bestes) in unserem Leben zustande kommt.
Wenn es zum Beispiel um Heilung geht, wird oftmals zu schnell auf den souveränen Willen Gottes verwiesen. Niemand könne ihm vorschreiben, wen er wann zu heilen hat. Es wird sogar behauptet, Gott würde manche Menschen krank erschaffen4 und dass körperliche Unversehrtheit deshalb gar nicht der Wille Gottes für jeden sein kann. Und es wird darauf verwiesen, dass Jesus am Teich Bethesda ja auch nur einen unter vielen geheilt hatte5.
Wie bei jedem anderen Thema, müssen wir den Willen Gottes auch bezüglich Heilung unter Berücksichtigung der gesamten Schrift betrachten. Dann stellen wir fest, dass jeder, der sich vertrauensvoll an Jesus wandte, auch geheilt wurde6. Wenn wir Hebräer 10,9 und Apostelgeschichte 10,38 zusammentun, liest es sich von Jesus so: »Siehe, ich komme, um deinen Willen o Gott zu tun … wie dieser umherzog und Gutes tat und alle heilte …«. Hauptsächlich war es der Wille Gottes, uns zu erlösen7. Diese Erlösung beinhaltet beides: Vergebung und Heilung8.
Beim Thema der Errettung ist das weitestgehend klar. Es ist nicht jeder Mensch automatisch gerettet, obwohl die Erlösung vollbracht wurde. Sobald es aber um Heilung für eine bestimmte Person geht, wird argumentiert, wenn es wirklich Gottes Wille wäre, würde sie ja gesund sein. Diese Argumentation trifft leider auch auf andere sichtbare Segnungen zu. Es wird dabei außer Acht gelassen, dass wir eine bestimmte Segnung genauso aktiv im Glauben ergreifen können, wie die Errettung und die Vergebung der Sünden. Natürlich kann es noch andere Gründe geben, weshalb manche nicht geheilt werden.
Es geschieht kaum etwas automatisch. Segnungen oder Gebetserhörung kommen nicht einfach so über uns, sondern sie sind meistens an bestimmte Voraussetzungen bzw. an Bedingungen geknüpft. Wir haben Gottes Zusage, dass er unsere Gebete erhört, wenn wir in seinem Wort bleiben und so leben, wie es ihm gefällt9. Wir erleben Gottes Versorgung, wenn wir ihn an die erste Stelle setzen und auch sonst tun, was er bezüglich Geld sagt10. Wir erfahren den Frieden Gottes, wenn wir unsere Sorgen auf den Herrn werfen und nur über das Gute nachdenken11.
Was den christlichen Wandel bzw. Heiligung betrifft, wollen sich manche Christen am liebsten zurücklehnen und alles Gott überlassen. Denn schließlich heißt es ja in Philipper 2,13: »Denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen.« Oder in Hebräer 13,21: »Er rüste euch völlig aus zu jedem guten Werk, damit ihr seinen Willen tut, indem er in euch das wirkt, was vor ihm wohlgefällig ist …« Auf der anderen Seite betont die Bibel aber auch Disziplin und Selbstbeherrschung12. Wir werden aufgefordert, schlechte Dinge abzulegen und die guten Dinge anzuziehen13.
Gott kann nur in dem Maß in uns wirken, wie wir uns willentlich der verändernden Kraft seines Wortes und des Heiligen Geistes aussetzen und die eigenen erforderlichen Schritte tun.
Zusammenfassend können wir sagen, dass Gott souverän handelt, was seinen Heilsplan betrifft. Was jedoch das persönliche Leben angeht, hat jeder Mensch einen Eigenanteil. Gott tut nichts gegen unseren Willen. Für uns aber zahlt es sich aus, wenn wir in jedem Bereich nach dem Willen Gottes leben. Deshalb werden wir in Römer 12,1-2 aufgefordert:
Ich ermahne euch nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: Das sei euer vernünftiger Gottesdienst! Und passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.
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1 2 Mose 32,18 – 33,7; Johannes 1,18; Hebräer 1,1-3
2 1 Mose 18,17; Psalm 103,7; Johannes 14,29; 16,13-15; Römer 11,29; Epheser 1,9
3 vergl. Epheser 1,11
4 vergl. 2 Mose 4,11
5 Johannes 5,1-9
6 vergl. Matthäus 8,1-3; 15,28;Markus 5,34; 10,51-12
7 Hebräer 10,10
8 Jesaja 53,4-5; Matthäus 8,17; 1 Petrus 2,24
9 Johannes 15,7; 1 Johannes 3,22
10 Matthäus 6,33; 2 Korinther 9,5-8
11 Philipper 4,4-9
12 siehe 1 Korinther 9,24-27
13 siehe Kolosser 3,5-14