Schwierige Schriftstellen richtig verstehen

Autor: Markus Rex

 

Besonders im Neuen Testament wird uns Gott als fürsorgender Vater dargestellt, der sich um unsere Belange kümmert. Gott ist gut und er will, dass es uns gut geht. Jesus betonte, dass der Vater im Himmel seinen Kindern nur Gutes tut. Jakobus griff diesen Gedanken auf und schrieb an die Gläubigen, die in schwierigen Situationen zurechtkommen mussten: »Irrt euch nicht, meine geliebten Brüder: Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist, noch ein Schatten infolge von Wechsel.« (Jak 1,16-17). Von Gott kommt nur Gutes und niemals Schlechtes. Er bringt beispielsweise kein Unglück über uns, um uns eine »Lektion« zu erteilen, er ist vielmehr an unserem Wohlergehen interessiert. Wer in dieser Weise von der Liebe und Güte Gottes überzeugt ist, hat manchmal Schwierigkeiten, anderslautende Aussagen in der Bibel richtig einzuordnen. Es gibt nämlich auch Berichte von der Sintflut, davon das Sodom und Gomorra in Schutt und Asche gelegt wurden oder dass die Israeliten über bestimmte Völker den Bann vollstrecken sollten. Oder was ist mit ganz konkreten Bibelstellen, die den Eindruck hinterlassen, als würde Gott Gutes und Schlechtes gleichermaßen tun. Hier sind zwei Beispiele davon:

 

1 Samuel 2,6-7

Der HERR tötet und macht lebendig; er führt ins Totenreich und führt herauf! Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt, aber er erhöht auch.

 

Jesaja 45,7

… der ich das Licht mache und die Finsternis schaffe; der ich Frieden gebe und Unheil schaffe. Ich, der HERR, vollbringe dies alles.

 

Es heißt hier, dass der Herr tötet und Unheil bzw. Unglück verursacht. Viele Christen sind durch solche Aussagen schon verunsichert worden. Aber das Wesen Gottes ist entweder gut oder bösartig. Er kann doch nicht beides gleichermaßen sein, oder?
Das Gottesbild etlicher Christen hat sich leider im Laufe der Zeit dahingehend verändert, dass er in ihren Augen willkürlich handelt. Willkür wird gern kaschiert mit der Souveränität Gottes, aber insgeheim wird er für unberechenbar gehalten. Er handelt so, wie ihm gerade zumute ist. In vielen Trauerreden wird dann von den »unergründlichen Wegen des Herrn« gesprochen. In der heutigen Gesellschaft ist das leider die gängige Vorstellung von Gott.

Aber wie sollen wir die o.g. Verse denn nun verstehen? In der hebräischen Sprache gibt es eine alte, im damaligen Orient verbreitete Ausdrucksweise, die man den Parallelismus1 nennt, der vielfach in den poetischen Büchern und den Weissagungen der Bibel vorkommt. Das wesentliche Merkmal des Parallelismus ist, dass zwei oder mehr Aussagen in eine Beziehung zueinander gebracht werden. So wie es in der Poesie einen Rhythmus der Worte gibt, ist es beim Parallelismus eher ein Rhythmus der Gedanken. Im Wesentlichen wird zwischen drei Arten unterschieden, und zwar 1. Gleichbedeutend, 2. Erweiternd und 3. Gegensätzlich.
Um einen gleichbedeutenden (synonymen) Parallelismus handelt es sich, wenn mehrere Teile einer Aussage denselben Gedanken in einer leicht abgewandelten Form ausdrücken. So heißt es z.B. in Sprüche 19,5: »
Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft und wer Lügen ausspricht, wird nicht entfliehen.« Einen erweiternden (synthetischen) Parallelismus finden wir z.B. im Psalm 92,10 vor: »Denn siehe Herr, deine Feinde – siehe, deine Feinde kommen um – alle Übeltäter sollen zerstreut werden

Bei den o.g. Schriftstellen handelt es sich um einen gegensätzlichen (antithetischen) Parallelismus, durch den ein Kontrast ausgedrückt wird, wie tot und lebendig machen oder Frieden geben und Unheil schaffen. Die Betonung in dieser Art des Parallelismus liegt nicht auf einer konkreten bzw. aktiven Handlungsweise Gottes. Der Kernpunkt in diesen Versen beinhaltet den Gedanken, dass Gott guten Menschen mit Frieden begegnet. Schlechte Menschen, d.h. diejenigen, die nicht in seinen Wegen wandeln, aber früher oder später Unheil infolge des Gerichtes Gottes erleben. Dieser Gedanke, dass die Gerechten gesegnet und die Sünder bestraft werden, zieht sich durch das gesamte Alte Testament hindurch. Dementsprechend sind die o.g. Aussagen gemeint und die Menschen damals haben sie genau so verstanden, d.h. wir dürfen die Bedeutung heute nicht verdrehen. Die einzige zulässige Weise, diese und ähnliche Bibelstellen auszulegen, ist die aus dem Blickwinkel von Gottes Segen im Gegensatz zu seinem Gericht.

Den Gedanken des Segens im Gegensatz zum Gericht hebt auch der Prophet Jeremia hervor. Lies einmal die Kapitel 17 bis 19, damit du den Zusammenhang erkennst, in dem folgende Verse stehen:

 

Jeremia 18,7-11

Einmal rede ich über ein Volk oder ein Königreich, dass ich es ausrotten, verderben und zugrunde richten will; wenn aber jenes Volk, über das ich geredet habe, von seiner Bosheit umkehrt, dann reut mich auch das Unheil, das ich über sie zu bringen gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk oder Königreich, dass ich es bauen und pflanzen will; wenn es aber das tut, was böse ist in meinen Augen und auf meine Stimme nicht hört, so reut mich auch das Gute, das ich mir vorgenommen hatte, ihnen zu tun. Darum sage nun den Männern Judas und den Einwohnern Jerusalems: So spricht der HERR: Siehe, ich bereite euch Unheil und ersinne einen Anschlag gegen euch. So kehrt doch um, jeder von seinem bösen Weg, und bessert eure Wege und eure Taten!

 

Hier haben wir eine ähnliche Aussage, wie die bereits genannten: »Siehe, ich bereite euch Unheil und ersinne einen Anschlag gegen euch.« Ist der HERR etwa ein Terrorist? Gott bewahre, nein! Er sagte ihnen einfach nur, dass es ihnen gut ginge, würden sie in seinen Wegen wandeln und kündigte ihnen die bitteren Konsequenzen an, weil sie ihn verlassen hatten. Das ist weit davon entfernt, dass Gott bösartig ist oder willkürlich und unberechenbar handelt. Diese Verse in einer Weise zu interpretieren, als würde Gott heutzutage Verkehrsunfälle, Gewalttaten, Epidemien und Katastrophen verursachen, entbehrt jeder sachlichen Grundlage, und ist deshalb nicht erlaubt.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir das Gericht Gottes richtig verstehen. Wir müssen die entsprechenden Bibelstellen exakt auslegen, damit wir sie nicht willkürlich auf unser Leben heute anwenden.
Der Gott es Alten Testaments ist kein anderer, als der Gott des Neuen Testaments. Gott ist gütig, gnädig und barmherzig. Seine Wesensart ist Liebe, mit der er sein Volk umgibt, und zwar damals wir heute. Die ernste Seite Gottes ist seine Unnachgiebigkeit gegenüber der Sünde, die schließlich zu seinem Gericht führt. Gott hat sich in seinem Wesen nie verändert, aber wie er dem Menschen begegnet, hat sich geändert. Unter dem Alten Bund gab es wegen des gottlosen und sündigen Lebens etliche Zorngerichte Gottes über einzelne Menschen oder ganze Völker. Doch das hat sich durch Jesus Christus geändert.

 

Johannes 3,16-17

Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.

 

Der Sohn Gottes kam nicht, um zu richten, sondern um zu retten! Das Kreuz macht den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Bund aus. Der neue Bund beinhaltet auch eine neue Zeit für die gesamte Welt. Jetzt leben wir in der Gnadenzeit Gottes, das bedeutet, dass Gott den sündigen Menschen nicht länger mit Gericht begegnet, um sie zu bestrafen, sondern mit Gnade, um sie zu retten.

Viele Menschen und leider auch manche Christen haben eine Vorstellung von Gott, die zum großen Teil vom Alten Testament geprägt ist, von Gericht, Zorn und Strafe. Davon waren auch die Juden zurzeit Jesu weitestgehend geprägt. Die Jünger waren einmal erbost über die Ablehnung der Samariter und hätten sie am liebsten gleich niedergestreckt. Aber Jesus hielt sie davon ab, weil ab jetzt neue Maßstäbe gelten.

 

Lukas 9,54-56

Als aber seine Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, willst du, dass wir sprechen, dass Feuer vom Himmel herabfallen und sie verzehren soll, wie es auch Elia getan hat? Er aber wandte sich um und ermahnte sie ernstlich und sprach: Wisst ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um die Seelen der Menschen zu verderben, sondern zu erretten! Und sie zogen in ein anderes Dorf.

 


Als Menschen durch ein Massaker und einen Arbeitsunfall starben, dachten die Leute zuerst an ein Gericht Gottes über diese »Sünder«2
. Jesus klärte sie darüber auf, dass die Todesopfer nicht sündiger waren als die anderen. Bezüglich eines Blinden dachten die Jünger an eine Strafe Gottes und fragten bei Jesus nach, ob er selbst oder seine Eltern gesündigt hätten. Auch hier erwiderte er, dass seine Blindheit nichts mit einer Strafe für vergangene Sünden zu tun hat3.
Jesus kam nicht, um zu richten und zu verderben, sondern um zu retten. Das Gericht Gottes über die Sünde traf Jesus. »Die Strafe lag auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.4« Das ist der große Unterschied zwischen dem AT und dem NT. Wir leben jetzt in der Gnadenzeit Gottes, bis Jesus wiederkommt. Deshalb glaube ich nicht, dass die gewaltigen Naturkatastrophen der letzten Zeit, Terroranschläge Kriege oder Krankheiten ein Gericht Gottes waren.

Unser Gottesbild muss aus dem Neuen Testament kommen. Das ist besonders dann wichtig, wenn grausame Beschreibungen im Alten Testament für uns heute unverständlich scheinen. Diese Ereignisse sind wie ein Foto, das nur die Momentaufnahme zeigt. Stell´dir vor, die Supernanny würde von Paparazzi dabei ertappt werden, wie sie gerade ihr eigenes Kind in strenger Weise maßregelt. Aufgrund der verbreiteten Fotos würde sich die Öffentlichkeit ein völlig einseitiges und damit verzerrtes Bild von ihr machen. Das würde ihr nicht gefallen und auch keiner von uns möchte so verunglimpft werden. Was das Wesen und die wirkliche Natur Gottes betrifft, brauchen wir Insiderinformationen.

 

In Johannes 1,18 heißt es: »Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat Aufschluss über ihn gegeben.« Jesus sagte: »Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen.« Jesus stellte uns seinen Vater vor, indem er umherzog und Gutes tat5, er heilte die Kranken, speiste die Hungrigen und beruhigte die Naturgewalten. Wenn du wissen willst, wie Gott ist, dann schaue auf Jesus.

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1 Knowing Scripture, R.C. Sproul; Genfer Studienbibel

2 Lukas 13,1-5

3 Johannes 9,1-3

4 Jesaja 53,5

5 Apostelgeschichte 10,38

 

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