Die arbeitende Gemeinde

Autor: Markus Rex

Die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten vor fast zweitausend Jahren wird als die Geburtsstunde der Gemeinde angesehen. Seit dieser Zeit kommen die Nachfolger Jesu zusammen, um gemeinsam Gott anzubeten und miteinander Gemeinschaft zu pflegen. Im Verlaufe der Kirchengeschichte haben sich die Gemeindestrukturen und Gottesdienstformen immer wieder verändert. Heutzutage haben die Gläubigen recht unterschiedliche Ansichten darüber, was Gemeinde ist und welchen Zweck sie hat.

Eine letzte biblische Sichtweise über die Gemeinde haben wir im Buch der Offenbarung. In den so genannten Sendschreiben an die sieben Gemeinden im damaligen Kleinasien beurteilt Jesus diese Gemeinden recht unterschiedlich. Doch es gibt drei markante Aussagen, die Er an alle Gemeinden gleichermaßen richtet:

 

Offenbarung Kapitel 2 und 3 (Schlachter 2000)

… Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt …

… Ich kenne deine Werke …

… Wer überwindet …

 

Nach Jesu Ansicht sollte Seine Gemeinde vom Geist Gottes geleitet sein, alles überwinden, was sie von der ernsten Nachfolge abhält, und sie soll Werke tun, d.h. sie soll eine arbeitende Gemeinde sein. Was die Werke angeht, schauen wir uns noch einen weiteren Vers an.

 

Titus 2:14

… der sich selbst für uns hingegeben hat, um uns von aller Gesetzlosigkeit zu erlösen und für sich selbst ein Volk zum besonderen Eigentum zu reinigen, das eifrig ist, gute Werke zu tun.

 

Nun, seit der Reformation haben die evangelikalen Christen manchmal ihre Mühe mit Werken. Ein wesentlicher Kernpunkt der Theologie Luthers war doch gerade die Rechtfertigung allein aus Glauben und zwar ohne jegliche Werke. Manche Christen ruhen sich darauf regelrecht aus. Doch Werke sind nicht gleich Werke. In der Bibel werden sie unterschiedlich beurteilt. Es gibt tote Werke und gute Werke, Werke des Gesetzes und Werke des Glaubens, unfruchtbare Werke der Finsternis und fruchtbare Werke. Daneben gibt es die Werke des Fleisches und unseren Wandel in Liebe. Auch sollen wir unseren Körper nicht der Sünde zur Verfügung stellen, sondern Werke der Gerechtigkeit tun.

Die einen Werke sollen wir lassen, weil sie uns von Christus und der Gnade Gottes trennen. Die anderen Werke hingegen sollen wir tun, damit wir für Gott fruchtbar sind und einmal unseren Lohn bekommen. Wir müssen beim Lesen der Bibel also jeweils beachten, um welche Art von Werk es sich handelt.

Wichtig ist also, dass wir nicht irgendwelche Werke tun, um vor Gott gerechtfertigt zu erscheinen, weil das nur durch Glauben aus Gnade geschieht (Röm.4). Nachdem wir aber gerettet und gerecht geworden sind, tun wir die Werke des neuen Lebens in Christus. Anders ausgedrückt: Wir arbeiten nicht um gerettet zu werden, sondern wir arbeiten für Gott, weil wir gerettet sind. Luther illustrierte das in seinem Kommentar zum Galaterbrief sehr treffend am Beispiel eines Apfelbaumes: “In der Natur muss zuerst der Baum sein, und dann die Frucht. Denn nicht die Äpfel machen den Baum, sondern der Baum macht die Äpfel. So macht zuerst der Glaube die Person, die hinterher Werke hervorbringt.”

 

An dem Volk Israel haben wir ein gutes Beispiel. Sie waren in Ägypten versklavt und arbeiteten für den Pharao. Nachdem sie herausgerettet wurden, sollten sie fortan für Gott tätig sein. Zu diesem Zweck hatte Gott sie befreit.

 

2.Mose 7:16

 

… und sprich zu ihm: Der HERR, der Gott der Hebräer, hat mich zu dir gesandt, um dir zu sagen: Lass mein Volk ziehen, damit es mir in der Wüste dient!

 

Mose sollte sie nicht nur in das Land Kanaan führen, sondern sollte auch ihr Mentor in ihrem Werk für Gott sein.

 

2. Mose 18:20

… und erkläre ihnen die Ordnungen und Gesetze, dass du ihnen den Weg verkündigst, auf dem sie wandeln, und die Werke, die sie tun sollen.

 

… und die Werke, die sie tun sollen.” Das klingt so ähnlich wie Titus 2:14: “sich selbst ein Volk zum besonderen Eigentum zu reinigen, das eifrig ist, gute Werke zu tun.”

 

Die Gemeinde Jesu soll eine arbeitende Gemeinde sein. Jedes einzelne Mitglied soll dazu ausgebildet und trainiert werden. Das biblische Wort dafür heißt “Zurüstung”.

 

Epheser 4:11-12

Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer, zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus.

 

 

Zurüstung

Das grch. Wort für “Zurüstung” lautet: katartismos. Griechische Begriffe können völlig unterschiedliche Bedeutungen haben, die wir nicht ohne weiteres austauschen dürfen. Manchmal können diese unterschiedlichen Bedeutungen aber auch eine Bereicherung für uns sein, weil sie uns helfen, dieselbe Sache umfassender zu betrachten.

Schauen wir uns im Folgenden also einmal an, wo das Wort katartismos (zumindest der Wortstamm) im NT noch verwendet wird.

(Meine Kommentare zu diesen Versen sind allein vom Aspekt der Zurüstung aus zu verstehen und nicht als Auslegung der Verse im einzelnen.)

 

Hebräer 10:5

Auf Jesus bezogen: … einen Leib hast du mir zubereitet

 

So wie die Gemeinde als der “Leib Christi” weltweit aus den vielen verschiedenen Ortsgemeinden besteht, genauso besteht die lokale Gemeinde aus den verschiedenen Mitgliedern. Die einzelnen Gemeinden tragen gemäß ihrer Berufung oder Vision zum Bau des Reiches Gottes auf dieser Erde bei. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollte jeder Christ verbindlich zu einer Gemeinde gehören und, je nach Gaben, Fähigkeiten und Möglichkeiten, zum Bau der Gemeinde beitragen.

 

Hebräer 13:21

… er rüste euch völlig aus zu jedem guten Werk, damit ihr seinen Willen tut, indem er in euch das wirkt, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus …

Die Christen sollen nicht nur mit persönlichen Dingen oder nach eigenem Gutdünken in der Gemeinde beschäftigt sein, sondern sie sollen effektiv im Reich Gottes arbeiten, indem sie gute Werke tun. Dazu müssen sie ausgerüstet werden. Von Gott kommt die Kraft und Fähigkeit, und die Dienstgaben lehren, was Gemeinde ist und wie sie “funktioniert”.

 

1. Korinther 1:10

Ich ermahne euch aber, ihr Brüder, kraft des Namens unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle einmütig seid in eurem Reden und keine Spaltungen unter euch zulaßt, sondern vollkommen zusammengefügt (o. zusammengehalten) seid in derselben Gesinnung und in derselben Überzeugung.

 

Die Gemeinde soll “gebaut” werden. “… zur Erbauung des Leibes Christi …” (Eph.4:12). Das grch. Wort oikodomé beschreibt den Bau eines Hauses. Das Baumaterial allein ist ja noch kein fertiges Haus. Erst wenn alles in vorgegebener Weise zusammengefügt wird, ist es ein bewohnbares und somit nützliches Haus.

Jeder Christ sollte sich als “lebendiger Stein” (1.Petr.2:5) nach der jeweiligen (Glaubens-) Überzeugung und Gesinnung (Vision) in seiner Gemeinde einfügen lassen.

 

1. Thessalonicher 3:10

Tag und Nacht flehen wir aufs allerdringendste, dass wir euer Angesicht sehen und das ergänzen dürfen, was an eurem Glauben noch mangelt.

 

Kein Christ ist sich selbst genug. Wir alle brauchen Ergänzung, sei es in bestimmten Glaubensansichten oder in dem, was wir tun. Die Aufträge Gottes sind immer so groß, dass einer allein sie nicht tun kann. Wir brauchen einander.

 

2. Korinther 13:11

Im übrigen, ihr Brüder, freut euch, laßt euch zurechtbringen, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes, haltet Frieden; so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein!

 

Das grch. Wort katartismos war in der Antike ein orthopädischer Begriff. Wenn bspw. durch einen Ringkampf der Arm des Gegners ausgerenkt wurde, musste er wieder “zurechtgerückt” werden. Manchmal sind Gliedmaßen am Leib Christi “ausgerenkt” und “verbogen”, sie sind funktionsunfähig oder in ihrer Tätigkeit eingeschränkt. Wir werden aufgefordert, uns hier wieder zurechtbringen zu lassen.

 

Galater 6:1

Brüder, wenn auch ein Mensch von einer Übertretung übereilt würde, so helft ihr, die ihr geistlich seid, einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht; und gib dabei acht auf dich selbst, dass du nicht auch versucht wirst!

 

Für die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und für ihr Verhalten außerhalb gibt es auch eine Norm. Das ist die Frucht des Geistes, die Liebe Gottes u.ä.. Verletzt jemand die Norm dieser Gemeinschaft, sollen wir ihn nicht abstrafen, sondern ihm helfen, in die Gemeinschaft mit Gott und der Gläubigen zurückzufinden.

 

Matthäus 4:21

… mit ihrem Vater Zebedäus ihre Netze flicken

 

Wenn überhaupt, dann können wir diesen Vers im Zusammenhang mit der Zurüstung der Heiligen nur allegorisch betrachten. Jesus kündigte dem Petrus an, dass er in Zukunft Menschen “fischen” wird. Bis heute ist das der Hauptauftrag für die ganze Gemeinde. Je enger die Gemeindeglieder zusammenarbeiten, um so engmaschiger ist das Netz, d.h. um so effektiver gewinnen wir Menschen für Jesus.

 

Zusammenfassung:

Die Gemeinde Jesu soll eine arbeitende Gemeinde sein. Reinhard Bonnke sagte einmal dazu: Die Gemeinde ist kein Sanatorium, sondern ein Trainingscamp! und: Die Gemeinde ist kein Luxusdampfer, sondern ein Rettungsboot!

Die Arbeit der fünf Dienstgaben ist die Zurüstung der Heiligen. Die Heiligen selbst, also die einzelnen Gemeindeglieder, arbeiten am Werk des Dienstes, bei dem es darum geht, Menschen für Jesus zu gewinnen und das Reich Gottes auf dieser Erde auszubreiten.

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